Es kam der Tag, der uns erschütterte!

 

IMG_0096_mod03Nun war es soweit. Ende September sollten wir endlich erfahren, welches Geschlecht der Wurm in mir hat. Das Herz, die Lungen, die Durchlutung. Alles toll…Der Arzt war begeistert und wir auch, dies alles so genau sehen zu können. Und guckt da, ein kleiner Penis, gut erkennbar. Ein Junge! Ich war kurz enttäuscht, hatte ich mir doch ein Mädchen gewünscht. Zwei Minuten später war dies völlig egal…Kurz vor Schluß stockte der Arzt. „Oh, warten Sie. Hier ist doch was.“ Ich wusste nicht, was er meinte und er zeigte plötzlich auf den Schädel, der gut erkennbar von oben nicht zusammen geschlossen war. Er sprach von einer möglichen Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte. Er war sich sehr sicher, dass es nicht zusammen gewachsen war und wir konnten es deutlich sehen. Mein Partner und ich verstummten. Bis dato habe ich wenig bis gar nichts darüber gewusst. Mein Arzt empfahl eine Fruchtwasserpunktion, um weiteres auszuschließen und ich stimmte dem in Trance zu. Mit dem Befund in der Hand gingen wir nach draußen und meinten, wenn man das einfach zunähen könne, würde uns das nicht an dem Austragen des Babys hindern. Jedoch völlig perplex zu Hause angekommen, ich weinend im Auto den ersten Schock verdaut, setzte sich jeder von uns anders mit der Situation auseinander. Es folgten grauenvolle zwei Wochen. Die Fruchtwasserpunktion ergab einen unauffälligen männlichen Chromosomensatz. Nun hieß es, können wir mit dieser „Fehlbilgung“ umgehen, sind wir dem gewachsen? Wir sahen Bilder…Ein Schock. Ursache, Folgen, alles wurde aufs Kleinste penibel auseinander genommen. Wir reisten durch ganz Deutschland. Waren in Jena, in Halle, in  Dresden, in Leipzig und in Marburg in Spaltzentren, um uns ein Bild zu machen.; uns beraten zu lassen. Es gab keine einheitliche OP-Methode. Warum nicht? Plötzlich fing ich an, den Wurm zu spüren. Es war grauenvoll. Bewegte er sich erstmals in mir, während wir den Gedanken verfolgten, die Schwangerschaft abzubrechen. Ich wusste nicht mehr, wo oben und unten ist. Mein Wunschkind, dessen Weg so weit war, nun plötzlich verabschieden? Was habe ich falsch gemacht? Doch die bescheuerte Ernährung, der Arbeitsstreß? Es zerriss mich innerlich und das immer und immer wieder. Ich machte die Entscheidung von meinem Partner abhängig. Schließlich müssen wir beide damit umgehen können, dem gewachsen sein. Einen Abend Anfang Oktober meinte er, er habe Angst, dass unsere Beziehung dem nicht Stand halten könne. Ich ging alleine ins Bett und weinte wie nie zuvor, ich habe mich in dem Moment von meinem Kind verabschiedet. Die Aussage meines Partners verstand ich als fehlende Liebe zu mir. Er aber meinte, dass ihm unsere Beziehung zu wichtig sei, er diese nicht gefährden will. Wir waren einfach beide schlicht weg überfordert.

Doch dann… Den Tag darauf entschlossen wir uns, den Wurm weiter in mir wachsen zu lassen, waren etwas erleichtert-eine Entscheidung war da, wenn noch immer etwas neben uns stehend und ein wenig Freude hinsichtlich der Schwangerschaft kam wieder auf. Von nun an las und las ich. Ich las alles über Ursachen, Folgen usw. Bis heute ärgere ich mich darüber, wenn man nur davon spricht, dass die Narbe an der Lippe später kaum zu sehen sei. Die Narbe ist belanglos. Aber woher sollte man das wissen, wenn man sich damit nicht beschäftigt. Gehör, Sprachentwicklung, dadurch versetzte geistige Entwicklung. Das waren Themen, die mich beschäftigten. Das Thema Stillen, damit verbunden das Thema der Geborgenheit. Ich kontaktierte eine Stillberaterin, die sich damit auskannte. Diesbezüglich machte sie mir Mut, wenn ich heute jedoch eines besseren belehrt wurde. Aufgaben, Förderung durch die Gefahr der Einschränkung des Gehörs, der mangelnden und falschen Sprachentwicklung sind Themen, die mich bis heute nicht los lassen. Und ich die Geduld haben muss, bis sie ersichtlich werden.